Montag, 23. Februar 2009

Hauptdarsteller gesucht

Da stehe ich nun und kann mich der Einsicht nicht erwehren. Sagte er nicht: "..."? Ach, warte mal, Hannah!

Das erste Mal, seit ich denken kann, finde ich mein Spiegelbild mehr als nur okay. Und ich bin nicht erst sechzehn. Es gab eine Zeit, da war ich stolz auf die Abwesenheit jeglicher Rundung zwischen Rippenbogen und Hüftknochen, auf die atemberaubende Schmalheit meiner Silhouette im Toilettenspiegel des Fitnessstudios. Ich vergaß daraufhin andere (wichtige) Dinge wie meinen Kopf, aber das ist eine andere Geschichte. Heute - und damit meine ich den ungefähren Zeitraum von vor zwei, drei Wochen bis heute - finde ich mich richtig okay , nein, ich wage es kaum auszusprechen, sogar vielleicht ein bisschen attraktiv für andere Augen.

Ich komme von meinem Date mit Tom und bin voller Gedanken und Eindrücke und etwas hin und her gerissen. Sicher bin ich mir jedoch, dass er mich interessant findet. Anziehend. Warum? Weil er bei der ersten Verabredung sagte: "Ich finde dich attraktiv." Meinen ersten Freund habe ich verlassen. (Es stellte sich nach langen Monaten der Selbstvorwürfe als nicht so tragisch heraus, weil er sich seine Homosexualität eingestand. Und ich konnte mir sagen, ich hatte sie latent gespürt. Ja, ja. Hätte ich mir sagen können.) Die anderen haben mich verlassen oder es gar nicht erst zu einer so vertrackten Lage kommen lassen, dass sie mich verlassen mussten, weil sie eine Beziehung mit mir hatten. Never (well, hardly ever) the dumper, always the dumpee.

Nun stehe ich hier, vielmehr sitze ich in meinen Gedanken und muss erkennen, dass ich jemanden am anderen Ende der Beziehungsleitung habe, der vielleicht mehr empfindet als ich.Warum ich mich dann überhaupt auf ein zweites Treffen eingelassen habe? Hab ich ihn wiedergesehen, weil ich ausgehungert nach menschlichen Berührungen bin? Oder weil in der Zeit, in der wir uns nicht sahen, die Idee von ihm, die über Wochen und Monate via Internet hatte groß werden können, wieder größer als die Wirklichkeit geworden war? Vielleicht; vielleicht aber auch, weil ich unentschlossen war, ob ich ihn nun attraktiv fand oder nicht. Mein Credo bis dahin: Er muss es sagen oder es muss zumindest in der Luft liegen, sodass ich es bloß greifen und denken muss: "Wo warst du so lange????" Wenn ich ihn sehe, dann muss es zumindest Klickchen machen. Ich muss ihn von jeder Seite ansehen wollen, und meine Herzfrequenz muss indirekt proportional zu unserem Anstand sein. Wenn er mir seine Hand auf die Schulter legt, muss ich danach davon träumen und glücklich davon aufwachen. (Gut, das war jetzt wohl etwas weit hergeholt, obwohl es das eigentlich nicht ist. Bloß weil einer das mal tat, der mich damit wohl eher unabsichtlich in einen Zustand nahe des Glückskomas versetzte?)

Tom is a curious case... Halt! Matters of the heart, ich meine, Herzensangelegenheiten sind muttersprachlich. Es ist seltsam mit Tom. Die Briefe, die Telefonate, die Fotos waren sympathisch bis pulsfördernd. Die Person vor mir war es nicht. Oder doch? Oh ja, er war sympathisch, und ich erinnerte mich an die Telefonate und daran, dass das Aussehen nicht die Schlüsselqualität ist. Außerdem war das Lächeln ja nett, oder? Aber dann... Es ist wahrhaftig seltsam, denn ein Blickwinkel von neunzig Grad und einer von hundertachzig ergeben nicht nur ein anderes Bild, sondern auch völlig gegensätzliche Gefühle wie einer von sechzig der hundertzwanzig. In einem Moment empfinde ich ihn als das Negativ von "Ja, ja, das ist es!!", und im anderen kriege ich Herzflattern von seinem Blick. Ich habe mich schon aufgegeben, was seine Ausstrahlung betrifft, da wendet er sich im Kinosessel zu mir, und ich finde ihn bauchkribbelnfördernd. Es ist leicht bis mittel verflixt. Nachdem ich plötzlich auf Kompromisse nicht so schlecht zu sprechen bin, gebe ich mir Zeit. Falsch?

Auf dem Weg zum Kino schießt ein Gefühl ein, und ich verscheuche es: "Damn Olli, du sollst nicht mehr auftauchen. Sag mir nicht, dass ich neben dir gerne ging, dich attraktiver fand. Ich will dich überschreiben!" Auf dem Rückweg kitzelt die Kompromissbereitschaft am hinteren Gaumen: "Du hast schon ganz schön hohe Ansprüche, du weißt das, oder? Aber du kannst sie hinter dir lassen, oder?"

Die Unterhaltungen sind ja auch sehr nett. Oder nett halt. Mein Urteilsvermögen ist getrübt. Möglicherweise ist mein neutrales chatty Verhalten jedoch Sabotage. Chancen, sollte ich sie jemals gewollt haben, mögen schwinden. Wer weiß. Lange Blicke gab es keine. Weil ich sie vermutlich unbewusst vermied. Ah, heißes Pflaster. Berührung gab es schon. Ellbogen rutschte an Ellbogen. Immer eine Frage der Relativität und des Zufalls, aber warum sollte er es andererseits durch seinen Sweater weniger spüren als ich durch meinen Pullover? Die Berührung war schön, aber eventuell ist das ja auch alles, was ich will.

Wir stapfen durch den Regen zurück. Schneeregen, Regen, wo ist der Unterschied? Meine Haare werden von beidem nass, und ich frage mich, warum ich mich mit der Kapuze begnüge, wo ich doch einen Schirm eingesteckt habe. Sein Gang irritiert mich etwas. Wenn ich an einem Hindernis vorbeigehe, geht er meist auf derselben Seite. Aha. Er wird schweigsamer. So, da wäre nun sein Auto. Ja, meine Wohnung ist dann auch da oben. Wir drücken uns zum Abschied, und er sagt: "Also, dann bis dann mal." "Ja, bis bald dann," erwidere ich und stapfe durch die Nässe Richtung Wärme und Behaglichkeit. Ich freue mich über die seltsame Ruhe in mir und auf die Reise morgen, die mich in eine ganz neue Umgebung und ganz weit weg von hier bringt. Ganz alleine.

Wenn er mich anruft fürs nächste Date, dann... Moment! Da war doch was! Hat er nicht minimal traurig geschaut und gesagt: "Bis dann mal!"? Bis dann mal? Es ist langsam eingesickert, aber es ist angekommen! Die höfliche Abfuhr schlechthin! Und innerlich taucht sogar das Bild auf: Ich bin frei, Gefühle für Alex zu entwickeln. Ach, seltsames Wesen, das ich bin! Hab ich mich zu kühl verhalten, sodass er sich nicht genügend begehrt fühlte und mich so sanft abschob? Letztes Mal sagte ich mir bloß, dass er sich nicht melden würde, und dann kam noch in derselben Nacht eine E-Mail. Dieses Mal bin ich mir sicher, sehr, sehr sicher: Er wird sich nie wieder bei mir melden. Bin ich traurig? Vielleicht. Aber es wird so kommen, wie's kommen muss.

... Es gibt auf Erden nicht nur den Einen. ...

Willkommen, Welt, dies ist mein Blog

An die Welt:

Was brauchst du, Welt, noch eine Bloggerin? Gibt es nicht schon genügend Schreib- und Offenbarungswütige? Wohl, wohl. Darum reihe ich mich gerne ein, ohne Ansprüche auf Exklusivität oder Welterneuerung. Der Titel ist auch Programm: Es geht um meine Ansichten und meine Erlebnisse. Je nachdem, was mein Kopf und mein Leben so hergeben.

Der Anlass, ein weiteres Blog zu eröffnen, ist ein klarer Kopf nach einem Erlebnis, dem eine Blitzeinsicht folgte. Be my guest.

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