Zwischendrin
Ich hatte nicht erwartet, dass mein Puls derart in die Höhe gehen würde. In Gedanken hatte ich es schon oft durchgespielt. Nein, nicht direkt. Eher wie eine schwarze Wolke am Horizont gefürchtet. Sehr effektiv in der Blockade von Energien, die man für anderes gut gebrauchen könnte.
Nun ist es, eher sang- und klanglos, en passant geschehen: Das "ist Single" ist aus seinem Profil verschwunden. Stattdessen steht da nun: nichts. Es steht auch keine Neuigkeit auf der Startseite: ... ist jetzt nicht mehr Single." Das heißt wohl, das, was da ist, ist wichtig genug, um auszuschließen, dass man Single ist. Aber es ist noch nicht so fest, so definitiv, so spruchreif, dass man es der ganzen Welt des Sozialnetzwerks erzählen möchte. Verstehe ich. Ist ja ganz mein Stil. Ich hätte es von vornherein nicht angeben, ob ich nun so oder so oder gar so bin. Aber er ist ja anders. Und dass er nun so handelt, ist erstens nur ein weiterer Beweis seiner schönen inneren Haltung und ist zweitens Zeichen dessen, wie wichtig es ihm ist. Und ich lag mit dem ersten Gespür im Frühling richtig. Und mit meinen auf Wünschen und Sehnsüchten beruhenden Interpretationen dann daneben. Gut, es gibt immer etwas dazwischen. Aber letztlich lag ich daneben. Es wäre ja auch dumm, anzunehmen, dass
1) er sich nach langer Zeit doch in mich verliebt haben könnte, weil ich mich so verändert habe und er nun die andere Seite an mir gesehen hat und wir so viel Zeit miteinander verbracht haben.
2) all die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, letztlich nicht doch bloß eine geringfügige Erweiterung des Freundschaftsstatus "gemeinsames Konzertgehen" auf "gemeinsames Chorsingen" und "gemeinsames Kartenspielen, wenn die Runde sich trifft und ich als plus one dabei bin" ist.
3) er sich Hoffnungen auf mich macht, wo ich doch in einer Beziehung bin.
4) ich mich wirklich so sehr verändert habe, dass er sich in mich verlieben könnte, denn letztlich bleibt man ja immer derselbe Mensch, oder?
Punkt 3 mag nun ein interessantes Licht auf mich werfen, oder? Zusätzlich dazu, dass ich das ganze relativ analytisch zu betrachten scheine. Ist mir wohl doch nicht so wichtig. Oder ist es der Schock? Des Erwarteten, dass er für die eine über den Höllenschlund springen will, die auf der Seite der Erde lebt, auf die es ihn im Herzen zieht?
Alles, was ich denke, führt mich dazu, dass ich mich auf nächsten Montag freue, wenn ich alles mit jemandem besprechen kann, der bisher keine Ahnung von allem hat. Vielleicht ist ja alles ganz leicht, und ich sehe es nur nicht.
Das Klarste, was möglich wäre, ist meine Trennung von meinem Freund mit der (inneren) Begründung, dass ich immer noch einen anderen liebe. Die äußere wäre dann wohl, dass ich ihn nicht genug liebe, um mein Leben lang mit ihm zusammen zu sein. Das wäre aber auch aus der Perspektive derjenigen gehandelt, die an die alles umfassende Liebe und die Liebe, die im Brustkorb beheimatet ist, denkt. Es wäre die Perspektive derjenigen, die vor gut zehn Jahren einmal den Fehler begangen hat, nach einem Liebesgeständnis, das auf Leere traf, mit dem Betreffenden sehr gut befreundet zu sein, nur um dann irgendwann sich einzugestehen, dass die Zuneigung nicht kleiner geworden ist, und ihm diese erneut zu beichten, weil sie seine freundschaftlichen Gefühle für etwas anderes gehalten hatte. Ein Fehler. Der im Grunde nur auf Hoffnungen, Sehnsüchten, Wünschen und durch die Lupe wahrgenommenen Eindrücken beruhte, denn diejenige nahm und nimmt alles so deutlich wie eine Katze wahr. Die Perspektive der anderen, die da noch in meiner Brust wohnt, widerspricht der ersten allerdings. Sie bezieht zwar nicht klar Stellung, so wie die Zwanzigjährige es in der Absolutheit ihrer Jugend getan hat. Sie sagt aber, warte, warte, bisher bist du immer an die Wand gefahren. Woher weißt du denn, dass die Art von Liebe, die du für den, den du nicht hast, zu empfinden meinst, nicht die Ursache für alles Scheitern ist? Woher weißt du denn, dass der, den du jetzt hast, nicht langsam, stetig zu all dem wird, was der an deiner Seite haben soll?
Diejenige mit dem 3er vorne dran spricht außerdem: Und wenn du mit ihm Schluss machst, dann verlierst du erstens einiges Schönes, und zweitens siehst du den anderen dann wahrscheinlich viel weniger, weil du dann nicht mehr zur Freundesrunde gehörst, der du ja nur angehängt wurdest. Und drittens stehst du am Ende wahrscheinlich alleine da, weil der andere ja nicht in dich verliebt ist. Dass es nicht so ist, spürst du, liebe Zwanzigjährige. Du spürst zwar, dass er dich wahnsinnig gerne mag, du glaubst sogar zu spüren, dass es so viel sein könnte, dass es hinter der Grenze zur Liebe sein könnte. Aber du spürst auch, dass die Zeit, wenn es denn wirklich so ist, nicht auf deiner Seite ist. Oder noch nicht. Eben. Wer weiß, vielleicht ist erst sie dran.
Die 20 antwortet, leicht pikiert: Und du kannst so ohne Weiteres mit ihm zusammen sein, obwohl du ahnst, dass du ihn nicht so liebst, dass du euren Kindern einmal vorleben kannst, wie Mann und Frau sich wertschätzend behandeln und einander immer im Bewusstsein haben? Kannst du ignorieren, dass du z.B. seine kindische Natur, die im Konflikt mit seiner Familie ans Tageslicht kommt, ablehnst? Oder dass du dich nie nach ihm sehnst, wenn er nicht da ist? Dass du mit permanentem schlechten Gewissen lebst, weil du die Zeit für dich alleine möchtest, in der er sich dir an den Hals wirft?
30 prompt retour: Aha. Und weil das jetzt so ist, kann sich nichts ändern, oder? Wenn ich jetzt wieder Single wäre, wäre es zwar anders als vorher, weil ich nun wüsste, erfahren hätte, wie es ist, wenn einen jemand wirklich wertschätzt und sehr, sehr mag, aber ich wäre trotzdem wieder Single. Vielleicht würde sich der Eine schneller melden, weil ich mich nun nicht mehr in mir verstecke, aber ich wäre trotzdem wieder auf der Suche. Andererseits stelle ich es mir gar nicht so schlimm vor. Ehrlich? Das Schlimmste wäre, ihm das Herz zu brechen. Und das Zweitschlimmste wäre, allen zu erzählen, gar erklären zu müssen, warum es in die Brüche ging. Für alle, die nicht mit ihm zusammen sind, die ihn nur als meinen Freund erleben, ist er sehr toll. Er hat mich ja so gern. Er ist lustig. Es ist ja auch niemand von ihnen so sensibel, dass ihn die Dinge treffen, die er zu mir sagt. Einzig diejenige, die von meiner Geburt an den sensiblen Draht der Mutter zu mir hat, die spürt die Verletzung. Nun denn, was spreche ich jetzt eigentlich?
Das Tröstlichste in dieser Hinsicht - und auch das erzählt seine eigene Geschichte - ist, dass meine kleine Umfrage im Kreise sprachbegabter Menschen ergeben hat, dass mein Empfinden richtig lag: "seit neuestem" hat einen Unterton von Hohn, Missbilligung. Was es nun wiederum sagt, dass er damals seinen Kumpel und mich vorstellte als "Die Hannah ist seit neuestem mit meinem Schulfreund zusammen.", das ist damit noch nicht geklärt. Das Einzige, was ich definitiv annehme, ist die Abweichung von der Neutralität der Aussage. Ob er nun bewusst missbilligt hat oder bloß sein Unterbewusstsein gesprochen hat, das vermag ich nicht zu sagen. Auch nicht, ob er nun die Tatsache an sich nicht gut fand, aus der Sicht des Mannes, der er ist, oder ob er dachte, es sei meine neue Masche, an seiner Seite oder in seiner Nähe zu bleiben - bloß einer neuer Spleen. Wie all die anderen Versuche davor, die ja an sich, bis auf einen, relativ harmlos waren und ohnehin durch die Klarstellung, ich solle nicht mehr als Konzertbegleitung erwarten, gebremst wurden. Ah, aber da war ich halt noch anders. Andererseits, auch jetzt bin ich noch nicht Latina, noch nicht großbusig, noch nicht extrovertiert - wenngleich auch noch viel weiter in dieser Richtung auf der Skala von intro zu extro.
Was bleibt? Mein Hang zu geschlossenen Enden lässt mich nur eines sehen: Meine Sprachintuition hat mich nicht im Stich gelassen. Aufmunternd. Alles andere sind lose Fäden.
Nun ist es, eher sang- und klanglos, en passant geschehen: Das "ist Single" ist aus seinem Profil verschwunden. Stattdessen steht da nun: nichts. Es steht auch keine Neuigkeit auf der Startseite: ... ist jetzt nicht mehr Single." Das heißt wohl, das, was da ist, ist wichtig genug, um auszuschließen, dass man Single ist. Aber es ist noch nicht so fest, so definitiv, so spruchreif, dass man es der ganzen Welt des Sozialnetzwerks erzählen möchte. Verstehe ich. Ist ja ganz mein Stil. Ich hätte es von vornherein nicht angeben, ob ich nun so oder so oder gar so bin. Aber er ist ja anders. Und dass er nun so handelt, ist erstens nur ein weiterer Beweis seiner schönen inneren Haltung und ist zweitens Zeichen dessen, wie wichtig es ihm ist. Und ich lag mit dem ersten Gespür im Frühling richtig. Und mit meinen auf Wünschen und Sehnsüchten beruhenden Interpretationen dann daneben. Gut, es gibt immer etwas dazwischen. Aber letztlich lag ich daneben. Es wäre ja auch dumm, anzunehmen, dass
1) er sich nach langer Zeit doch in mich verliebt haben könnte, weil ich mich so verändert habe und er nun die andere Seite an mir gesehen hat und wir so viel Zeit miteinander verbracht haben.
2) all die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, letztlich nicht doch bloß eine geringfügige Erweiterung des Freundschaftsstatus "gemeinsames Konzertgehen" auf "gemeinsames Chorsingen" und "gemeinsames Kartenspielen, wenn die Runde sich trifft und ich als plus one dabei bin" ist.
3) er sich Hoffnungen auf mich macht, wo ich doch in einer Beziehung bin.
4) ich mich wirklich so sehr verändert habe, dass er sich in mich verlieben könnte, denn letztlich bleibt man ja immer derselbe Mensch, oder?
Punkt 3 mag nun ein interessantes Licht auf mich werfen, oder? Zusätzlich dazu, dass ich das ganze relativ analytisch zu betrachten scheine. Ist mir wohl doch nicht so wichtig. Oder ist es der Schock? Des Erwarteten, dass er für die eine über den Höllenschlund springen will, die auf der Seite der Erde lebt, auf die es ihn im Herzen zieht?
Alles, was ich denke, führt mich dazu, dass ich mich auf nächsten Montag freue, wenn ich alles mit jemandem besprechen kann, der bisher keine Ahnung von allem hat. Vielleicht ist ja alles ganz leicht, und ich sehe es nur nicht.
Das Klarste, was möglich wäre, ist meine Trennung von meinem Freund mit der (inneren) Begründung, dass ich immer noch einen anderen liebe. Die äußere wäre dann wohl, dass ich ihn nicht genug liebe, um mein Leben lang mit ihm zusammen zu sein. Das wäre aber auch aus der Perspektive derjenigen gehandelt, die an die alles umfassende Liebe und die Liebe, die im Brustkorb beheimatet ist, denkt. Es wäre die Perspektive derjenigen, die vor gut zehn Jahren einmal den Fehler begangen hat, nach einem Liebesgeständnis, das auf Leere traf, mit dem Betreffenden sehr gut befreundet zu sein, nur um dann irgendwann sich einzugestehen, dass die Zuneigung nicht kleiner geworden ist, und ihm diese erneut zu beichten, weil sie seine freundschaftlichen Gefühle für etwas anderes gehalten hatte. Ein Fehler. Der im Grunde nur auf Hoffnungen, Sehnsüchten, Wünschen und durch die Lupe wahrgenommenen Eindrücken beruhte, denn diejenige nahm und nimmt alles so deutlich wie eine Katze wahr. Die Perspektive der anderen, die da noch in meiner Brust wohnt, widerspricht der ersten allerdings. Sie bezieht zwar nicht klar Stellung, so wie die Zwanzigjährige es in der Absolutheit ihrer Jugend getan hat. Sie sagt aber, warte, warte, bisher bist du immer an die Wand gefahren. Woher weißt du denn, dass die Art von Liebe, die du für den, den du nicht hast, zu empfinden meinst, nicht die Ursache für alles Scheitern ist? Woher weißt du denn, dass der, den du jetzt hast, nicht langsam, stetig zu all dem wird, was der an deiner Seite haben soll?
Diejenige mit dem 3er vorne dran spricht außerdem: Und wenn du mit ihm Schluss machst, dann verlierst du erstens einiges Schönes, und zweitens siehst du den anderen dann wahrscheinlich viel weniger, weil du dann nicht mehr zur Freundesrunde gehörst, der du ja nur angehängt wurdest. Und drittens stehst du am Ende wahrscheinlich alleine da, weil der andere ja nicht in dich verliebt ist. Dass es nicht so ist, spürst du, liebe Zwanzigjährige. Du spürst zwar, dass er dich wahnsinnig gerne mag, du glaubst sogar zu spüren, dass es so viel sein könnte, dass es hinter der Grenze zur Liebe sein könnte. Aber du spürst auch, dass die Zeit, wenn es denn wirklich so ist, nicht auf deiner Seite ist. Oder noch nicht. Eben. Wer weiß, vielleicht ist erst sie dran.
Die 20 antwortet, leicht pikiert: Und du kannst so ohne Weiteres mit ihm zusammen sein, obwohl du ahnst, dass du ihn nicht so liebst, dass du euren Kindern einmal vorleben kannst, wie Mann und Frau sich wertschätzend behandeln und einander immer im Bewusstsein haben? Kannst du ignorieren, dass du z.B. seine kindische Natur, die im Konflikt mit seiner Familie ans Tageslicht kommt, ablehnst? Oder dass du dich nie nach ihm sehnst, wenn er nicht da ist? Dass du mit permanentem schlechten Gewissen lebst, weil du die Zeit für dich alleine möchtest, in der er sich dir an den Hals wirft?
30 prompt retour: Aha. Und weil das jetzt so ist, kann sich nichts ändern, oder? Wenn ich jetzt wieder Single wäre, wäre es zwar anders als vorher, weil ich nun wüsste, erfahren hätte, wie es ist, wenn einen jemand wirklich wertschätzt und sehr, sehr mag, aber ich wäre trotzdem wieder Single. Vielleicht würde sich der Eine schneller melden, weil ich mich nun nicht mehr in mir verstecke, aber ich wäre trotzdem wieder auf der Suche. Andererseits stelle ich es mir gar nicht so schlimm vor. Ehrlich? Das Schlimmste wäre, ihm das Herz zu brechen. Und das Zweitschlimmste wäre, allen zu erzählen, gar erklären zu müssen, warum es in die Brüche ging. Für alle, die nicht mit ihm zusammen sind, die ihn nur als meinen Freund erleben, ist er sehr toll. Er hat mich ja so gern. Er ist lustig. Es ist ja auch niemand von ihnen so sensibel, dass ihn die Dinge treffen, die er zu mir sagt. Einzig diejenige, die von meiner Geburt an den sensiblen Draht der Mutter zu mir hat, die spürt die Verletzung. Nun denn, was spreche ich jetzt eigentlich?
Das Tröstlichste in dieser Hinsicht - und auch das erzählt seine eigene Geschichte - ist, dass meine kleine Umfrage im Kreise sprachbegabter Menschen ergeben hat, dass mein Empfinden richtig lag: "seit neuestem" hat einen Unterton von Hohn, Missbilligung. Was es nun wiederum sagt, dass er damals seinen Kumpel und mich vorstellte als "Die Hannah ist seit neuestem mit meinem Schulfreund zusammen.", das ist damit noch nicht geklärt. Das Einzige, was ich definitiv annehme, ist die Abweichung von der Neutralität der Aussage. Ob er nun bewusst missbilligt hat oder bloß sein Unterbewusstsein gesprochen hat, das vermag ich nicht zu sagen. Auch nicht, ob er nun die Tatsache an sich nicht gut fand, aus der Sicht des Mannes, der er ist, oder ob er dachte, es sei meine neue Masche, an seiner Seite oder in seiner Nähe zu bleiben - bloß einer neuer Spleen. Wie all die anderen Versuche davor, die ja an sich, bis auf einen, relativ harmlos waren und ohnehin durch die Klarstellung, ich solle nicht mehr als Konzertbegleitung erwarten, gebremst wurden. Ah, aber da war ich halt noch anders. Andererseits, auch jetzt bin ich noch nicht Latina, noch nicht großbusig, noch nicht extrovertiert - wenngleich auch noch viel weiter in dieser Richtung auf der Skala von intro zu extro.
Was bleibt? Mein Hang zu geschlossenen Enden lässt mich nur eines sehen: Meine Sprachintuition hat mich nicht im Stich gelassen. Aufmunternd. Alles andere sind lose Fäden.
Guildenstern - 3. Jan, 12:08